Interview
Zinnbauer: „Wolfsburg ist der Favorit auf den Meistertitel!“
Interview: Joe Zinnbauer, Trainer des Bundesliga-Nachwuchses des Hamburger SV, sprach mit uns über das Trainingslager, die Regionalliga Nord, junge Talente und weshalb er sich letztendlich doch für den Bundesliga-Dino entschieden hat.
Herr Zinnbauer, bitte ziehen Sie doch einmal Bilanz aus dem vergangenen Trainingslager. Was war positiv – was muss noch bis zum Saisonstart verbessert werden?
Zinnbauer: „Wir haben derzeit noch einen relativ kleinen Kader, trotzdem haben wir sehr gut gearbeitet. Die Bedingungen in Wesendorf waren erstklassig. Allerdings waren sehr viele Testspieler dabei, weil wir noch einige neue Akteure für die kommende Saison brauchen. Dann ist es für die Mannschaft manchmal nicht so leicht, sofort eine gute Bindung zueinander zu bekommen, aber das war in diesem Fall anders. Wir haben auch schon mit Team-Building-Maßnahmen begonnen und konnten im taktischen und physischen Bereich sehr gut arbeiten. Abschließend haben wir mit Rot-Weiß Essen einen guten Testspiel-Gegner bekommen und obwohl die Jungs etwas kaputt waren, auch ein gutes Ergebnis erzielt. Es braucht allerdings auch seine Zeit, bis sich die vielen jungen Spieler an den Herren-Bereich gewöhnt haben. Dementsprechend dauert es noch etwas, bis alles glatt läuft.“
Wie schätzen Sie die Regionalliga Nord als Liga ein. Hat sich nach dem Abgang von Werder Bremen etwas verändert?
Zinnbauer: Wenn Aufsteiger in die Liga kommen, haben die das verdient. Wir erwarten in der Regionalliga dementsprechend keine Mannschaft, die wenig Niveau hat. Die drei Aufsteiger haben sich über die ganze Saison durchgesetzt. Zudem werden diese Teams sich auch verstärken, was bedeutet, dass sicherlich auch ein Aufsteiger als Überraschungsmannschaft dabei sein wird. Zudem ist Werder Bremen eine Mannschaft, die uns nun letztes Jahr nicht geschlagen hat, aber letztendlich sind sie Meister geworden und das zeugt von Qualität. Auch in Bremen spielen Spieler aus der U23 in der Bundesliga.
Insgesamt haben wir also eine sehr starke Mannschaft verloren. Die Regionalliga Nord ist aber auch sehr stark, gerade mit dem VfL Wolfsburg. Die schätze ich in der nächsten Saison noch einmal stärker ein, als in der vergangenen Spielzeit. Zudem haben auch alle anderen Teams sehr gut aufgerüstet. Gerade die Traditionsvereine wie Oldenburg oder Meppen haben sicherlich langfristig das Ziel, aus der Regionalliga rauszukommen. Für mich ist allerdings der VfL Wolfsburg der Favorit auf den Meistertitel. Dennoch kann in der Regionalliga jeder jeden schlagen. Dementsprechend freuen wir uns auf die kommenden Monate.“
Wo sehen Sie personell noch Handlungsbedarf?
Zinnbauer: „Wir sind mit vielen Spielern in Kontakt, was die kommende Saison angeht. Wir brauchen noch Spieler, unter anderem einen Sechser und einen linken Verteidiger, gegebenenfalls auch einen Innenverteidiger. Auf diesen Positionen sind wir noch nicht so besetzt, wie wir uns das vorstellen. Das ist natürlich auch davon abhängig, welcher Spieler in der Bundesliga-Mannschaft bleibt. Einige Spieler sind nun schon längere Zeit bei der Bundesliga-Truppe dabei, was uns zwar enorm freut, aber diese Spieler fehlen uns dann auch in unseren Planungen. Von daher kann man bei der U23 die Kaderplanung immer erst sehr spät abschließen, weil man nicht weiß, ob noch jemand aus der Bundesliga-Mannschaft nachrückt.“
Wenn Dietmar Beiersdorfer Sie heute fragen würde, das Traineramt bei den Profis zu übernehmen – was würden Sie ihm antworten?
Zinnbauer: „Diese Frage stellt sich nicht, weil Bruno Labbadia ein sehr guter Trainer ist. Bruno leistet hervorragende Arbeit und wir werden ihm ebenso gut zuarbeiten. Wir haben in der ersten Mannschaft eine schlagkräftige Truppe, die ihren Weg gehen wird und ich konzentriere mich auf die Arbeit mit meiner Mannschaft.
Sie haben vor Ihrem Wiedereinstieg bei den Amateuren in den Medien gesagt, Ihnen hätten auch Angebote von höherklassigen Vereinen aus dem In- und Ausland vorgelegen. Was gab letztlich der Ausschlag dafür, dennoch beim HSV weiterzumachen?
Zinnbauer: „Ich hatte einfach gute Erinnerungen an die U23. Zum damaligen Zeitpunkt, als ich zugesagt habe, sah der Kader natürlich noch etwas anders aus als heute. Aber auch das ist eine reizvolle Aufgabe. Auch Dietmar Beiersdorfer und Peter Knäbel haben mir das Gefühl gegeben, dass ich unbedingt hier bleiben sollte, dass sie auch auf meine Trainer-Fähigkeiten in der U23 setzen und das war für mich die Entscheidung zu sagen, dass ich beim HSV bleibe. Warum sollte ich einen Verein verlassen, in dem ich mich im Umfeld sehr wohl fühle. Alle haben mich immer positiv aufgenommen. Auch als der KSC hier zum Relegationsspiel war, wurde ich von den Fans beklatscht. Das nimmt man mit und hat auch einen großen Einfluss auf die Entscheidung, die man fällt. Für mich war es einfach eine Entscheidung pro Hamburger SV.“
Was ist für Sie persönlich das Ziel in Ihrer Trainerkarriere?
Zinnbauer: „Als Trainer können Sie nie in die Zukunft gucken. Fakt ist, dass ich unglaublich viel Spaß an der Arbeit im Bundesliga-Bereich hatte. Genauso habe ich vorher aber auch Spaß mit der U23 gehabt und habe diesen jetzt auch wieder. Ich hatte auch ein paar gute Gespräche mit anderen guten Vereinen, aber letztendlich hatte ich immer im Hinterkopf, was in der U23 gelaufen ist, was mir auch das Sprungbrett nach oben gebracht hat und jetzt springe ich einfach wieder einen Schritt zurück und mache weiter gute Arbeit. Das Ziel eines jeden Trainers ist es sowieso Spaß zu haben, seine Spiele zu gewinnen und eine Mannschaft zu formen. Aber natürlich möchte Trainer – außer man definiert sich als klassischen Ausbildungstrainer – eine Mannschaft in der Bundesliga trainieren. Für mich zählt aber nur das Hier und Jetzt, meine Mannschaft – und es gibt nur wenige Vereine in der Bundesliga, die vom Umfeld besser sind als der HSV.“
Geben Sie doch bitte einmal einen Ausblick auf die kommende Saison. Kann es für die U23 des Hamburger SV nicht nur das Ziel sein, in die 3. Liga aufzusteigen? Was wünschen Sie sich?
Zinnbauer: „Es ist sicherlich irgendwann das Ziel vom Verein, dass die U23 in der 3. Liga spielt. Aber ich glaube nicht, dass wir in dieser Saison von einem Aufstieg sprechen sollten. Das wäre fatal und auch zu viel verlangt von den Jungs im Moment. Langfristig muss das der Verein entscheiden. Für mich als Trainer und die Spieler ist die 3.Liga natürlich interessanter als die Regionalliga. Wahrscheinlich auch schöner, wenn man bedenkt, dass man zum Beispiel in Dresden vor vollem Haus spielen kann. Das wäre für die Entwicklung der Jungs natürlich besser. Wir haben beim HSV vor einem Jahr eine neue Devise ausgegeben, mit dem Ziel, verstärkt auf die Jugend zu bauen, aber wir können nicht zaubern. Wir fangen im untersten Jugenbereich an mit der Förderung.
Das dauert sicherlich eine gewisse Zeit, bis sich die Veränderungen auszahlen und dann irgendwann der Nachwuchs aufkommt zur U23. Aber wir haben in der vergangenen Saison vier Spieler aus der U23 in den Profi-Kader gebracht. Es ist also vieles positiv, was der HSV schon im letzten Jahr geschafft hat. Wenn sich das von der Struktur alles so eingependelt hat, die jungen Spieler aus den eigenen Reihen nachschießen, und auch in der ersten Mannschaft eine gewisse Stabilität einkehrt, dann kann man sicherlich auch konkreter und frühzeitiger in die Planungen für die U23 gehen. Das war in den letzten beiden Jahren schwierig, weil wir gar nicht wussten, in welcher Liga wir spielen. Wenn das dann alles eintritt, dann kann sicherlich in allen Bereichen noch besser gearbeitet werden.“
Mit dem Aufrücken von Ashton Götz, Mohammed Gouaida und Ahmet Arslan in die Bundesliga-Truppe fallen gleich drei wichtige Stützen der vergangenen Saison weg. Wie kann das kompensiert werden?
Zinnbauer: „Es sind nicht nur diese drei Spieler. Dazu kommen auch Matti Steinmann und Gideon Jung, die den Kader bei den Profis verstärken. Brunst, der in der kommenden Saison beim VfL Wolfsburg spielen wird, und Nils Brüning, der für ein Studium nach Amerika geht. Also haben wir eine komplett runderneuerte Mannschaft und gehen deshalb mit einem völlig anderen Saisonziel in die Zeit als im letzten Jahr.“
Neben den bereits genannten Leistungsträgern, wem trauen Sie noch den zeitnahen Sprung in den Profikader zu?
Zinnbauer: „Gideon Jung ist bereits jetzt aus unserem Kader nach oben gezogen worden, auch Matti Steinmann gehört dazu. Aber in unserem aktuellen Kader ist noch nicht die Rede von Bundesliga. Das sind viele A-Jugend Spieler bei uns und auch die, die schon ein Jahr älter sind, brauchen einfach noch ein bisschen Zeit, um nach oben zu kommen. Aber es sind einige Kandidaten da, die sicherlich das Zeug haben, um eine gute Entwicklung zu nehmen. Aber ob sie es packen, liegt eher an der Zeit und an den Spielern selber.“
Und wie bewerten Sie die Entwicklung von Dren Feka? Ist er bereits eine Alternative für die U23?
Zinnbauer: „Im Moment sieht es so aus, als würde Dren Feka in der U23 spielen und soll da an den Herren-Bereich herangeführt werden. Wenn er bei uns nicht spielen sollte, wird er auf jeden Fall die Spielpraxis in der U19 bekommen. Er hat sicherlich eine gewisse Veranlagung, muss trotzdem aber noch viel arbeiten, um dann als Profi durchzustarten.“
Foto: Lars Mundt (Smart Art)