Interview
Richter: „Die Jungs nennen mich auch Pep van Richter“
Interview: Seit Jahren leistet er beim FC Süderelbe eine überragende Arbeit und gehört inzwischen zu den Top-Trainern in Hamburg. Wir sprachen mit Jean-Pierre Richter über den FCS – sein Fußball-Leben und seine Zukunft als Zepterschwinger, sowie einer möglichen Oberliga Hamburg-Schleswig-Holstein.
AFH: Wie bringst Du den Trainerjob/Manager mit dem normalen Job unter einen Hut?
Das ist immer schwer unterzuordnen. Daran darf man eigentlich gar nicht denken, dass man Fulltime als Trainer arbeitet. Dann ist natürlich klar, dass man auch auf der Arbeit nicht immer abschalten kann. Dafür habe ich dann meinen Urlaub, wo das Handy dann für die Tage auch ausbleibt. Zudem hat sich der Verein auch gewandelt und wir sind als Mannschaft gewachsen. Ab Ende April ist die Sommervorbereitung geplant. Jetzt muss man sich noch um Klamotten und die Integration der neuen Spieler kümmern. Es ist beim FC Süderelbe definitiv kein normaler Trainerjob (lacht).
AFH: Am Abend fällst Du aber dann schon müde ins Bett, oder?
Morgens aufstehen und zur Arbeit fahren – mittags dann Schluss bei der Arbeit – das ist schon knackig. Man freut sich immer, wenn man mal etwas anders machen kann. Man braucht auch immer mal die Zeit um den Akku wieder aufzuladen. Man muss sich von der ganzen Sachen die man macht, auch mal wieder erholen. Wir haben so viele Projekte, die ich planen muss. Ein bisschen Zeit muss man für seine eigenen Interessen auch finden. Aber ich mache beim FCS schon mehr als nur einen normalen Job. Das zeichnet alle Trainer aus, dass man so etwas organisatorisch unter einen Hut bringen muss.
AFH: Bist Du mit deinem Team in dieser Spielzeit zufrieden?
Ich bin mehr als zufrieden. Wir hatten als Aufsteiger den Klassenerhalt als Ziel ausgegeben. Für einen Aufsteiger haben wir ein herausragendes Torverhältnis. Das zeichnet die gute Arbeit von uns aus. Die Punkteausbeute ist weit über dem, was man erwartet hatte. Wir haben als bester Aufsteiger vieles richtig gemacht. Viele Punkte stimmen mich sehr, sehr positiv – gerade die starke Rückrunde. Nach dem verkorksten Sommer war es wichtig in die Winterpause zu kommen und haben dann viele gute Spieler verpflichtet – verdient die Klasse gehalten. Im Sommer geht es dann mit neuem Blut in die Saison.
AFH: Hat der Rückzug des FC Elmshorn euch „gutgetan“?
Das ist immer schwierig. Von der spielerischen Qualität her eher nicht. Warum haben sie denn nicht die Zweite abgemeldet, anstatt der Ersten. Wir sind eine von vielen Mannschaften, denen dann die drei Punkte fehlen. Man kann nicht von einer Wettbewerbsverzerrung sprechen, weil die Mannschaften auch im Winter schon dort unten standen. Ob es oben was ausgemacht hat, kann ich nicht sagen. Aber wer nach 34 Spieltagen oben steht, steht dort auch zu Recht.
AFH: War es ein großer Schritt, als Du zum FC Süderelbe gekommen bist?
Ich bin als U15 Verbandsliga-Trainer zum FC Süderelbe gekommen – zuvor war ich drei Jahre bei Finkenwerder. Das war eine Zeit, wo ich mit Martin Harnik und Max Kruse zusammen gespielt habe und es war klar, dass nicht alle Profis werden können. Dann war ich Spieler beim SC Vier- und Marschlande, wo ich aufgrund der Ausbildung leider nicht lange verweilen konnte und zum BSV Buxtehude gewechselt bin. Aber ich wollte dann lieber Trainer werden und habe mich wieder meinem „alten“ Verein Finkenwerder angeschlossen. Dann sind wir 2 Mal hintereinander aufgestiegen und sind dementsprechend auch Meister geworden. Im einem Zimmer habe ich von damals auch noch die Fotos und Aufstiegs-Shirt’s an den Wänden hängen.
Anschließend habe ich meine Lizenzen gemacht und beim FCS als Trainer angefangen. In der Sommervorbereitung wurde dann eine Lösung gesucht und Klaus Ulbricht hat mich als Liga-Trainer eingesetzt. Der ein oder andere Spieler hat dann bestimmt auch etwas blöde geguckt. Alle kannten mich als Johnny, der gerade einmal 23 Jahre alt ist/war. Daher war es wichtig, dass ich mit Ralf Lüben einen erfahrenen Co-Trainer an meiner Seite hatte. Das es dann so eine Entwicklung genommen hat, ist super für mich. Qualität und Arbeit haben sich dann auf dem Platz durchgesetzt.
AFH: Was ist für deine Trainer-Zukunft geplant?
Die mich kennen, die wissen das ich das mehr mache als nur nebenbei. Ich habe mit der Mannschaft viele Ziele. Ich kenne fast alle Trainer aus dem Hamburger Fußball und habe viel Spaß beim FC Süderelbe. Mein nächster Trainerschritt wird dennoch nicht sein, dass ich mit Freunden zusammenarbeite. Im Fußball muss man viel eigene Kreativität mitbringen. Die Entwicklung ist da. Es kann sein, dass ich in 10 Jahren noch Trainer bin, es kann aber auch schnell vorbei sein. Die Trainerlaufbahn ist mein Ding, was zu mir passt und was ich machen möchte. Der Reiz ist da, an seine Grenzen zu gehen. Wenn es Vereine gibt, wo ich mich noch mehr einbringen kann, werde ich mir natürlich darüber Gedanken machen. Innerhalb der Oberliga gibt es viele interessante Vereine – natürlich auch überregional. Ich muss mich da nicht verstecken. Das Zusammenspiel Mannschaft, Trainer und Verein muss passen. Als Trainer ist man immer nur so gut wie die Mannschaft.
AFH: Was war dein schlimmster Moment in Deiner Trainerkarriere?
Es gibt einen Schlimmsten. Mein Vater hat davon Zeitungsartikel gesammelt und anschließend weggeschmissen. Als ich bei Finkenwerder in meiner ersten Trainersaison nicht den Aufstieg bei Buchholz geschafft habe, war das schon sehr bitter – aber noch nicht das schlimmste. Das Ausscheiden aus dem Oddset-Pokal am grünen Tisch gegen den SV Billstedt-Horn. Wir hatten extra aufgepasst, dass alle spielberechtigt sind. Ich persönlich hätte es als Billstedt Horn anders gemacht. Es ist schwer zu verstehen, dass wir uns den Pokal selber genommen haben. Als Trainer ist das definitiv der schlimmste Punkt. Mir war an dem Morgen so schlecht wie lange nicht mehr. Das hatte für mich nichts mit Sport zu tun, wenn man 11:2 gewinnt. Aber wir haben das als Mannschaft gut weggesteckt.
AFH: Was macht Jean-Pierre Richter besonders?
Da kann ich mich jetzt hinstellen und über mich reden. Das macht keinen Sinn. Es gibt den Trainer Jean-Pierre Richter, der beim Fußball akribisch arbeitet und immer Erfolg haben will. Auf der anderen Seite der ehemalige Klassen-Clown, der immer Spaß hat und gerne mit seinen Freunden zusammen ist. Ich könnte als Mensch und Trainer nicht in dem gleichen Team sein. Wenn ich mit den Jungs Fußball gucke, habe ich meine eigene Sicht und lasse auch keine andere zu (lacht). Eine Mischung aus Mister-Fußball und am Rande der Verrücktheit. Aber auch ich habe nur 24 Stunden und kann mich nicht um alles kümmern. Aber dennoch sind diesebeiden Seiten meiner Persönlichkeit, die das Ganze gut wiederspiegeln. Die Jungs nennen mich auch Pep van Richter.
AFH: Selber war du auch als Fußballer, beim SC Vier-und Marschlande, aktiv. Hattest du keine Ambitionen nach oben?
Ich habe bis zur C-Jugend beim HSV gespielt. Dort musste ich dann aufhören – das war fußballerisch der schlimmste Knacks. Ich bin dann über Umwege zu Finkenwerder. Von dort bin ich zum ETV in die B-Verbandsliga. Das hat mich enorm weitergebracht. Es war damals eine hammergeile Truppe. Dann der Schritt zum SC Vier-Marschlande in der A-Verbandsliga und dort sind wir in die Bundesliga aufgestiegen. Kurz danach gab es das Hamburger-Pokalendspiel. Ich habe den entscheidenen Elfmeter verwandelt. Ich muss das akzeptieren, dass es nicht für ganz oben gereicht hat. Ich freue mich, dass es mit Max Kruse und Martin Harnik zwei Spieler geschafft haben und international bekannte Fußballer geworden sind.
AFH: Was ist das Ziel in deiner Trainerkarriere?
Da kann ich nur kurzfristige Ziele nennen. Für mich war es eine große Ehre bei der Wahl zum „Trainer des Jahres“ zur Wahl zu stehen. Jeder Mensch möchte die Anerkennung für seine Arbeit erhalten. Liga und Pokal kann man nicht aus dem Baum schnitzen. Dementsprechend kann ich mich da nicht festlegen. Mich freut die Bestätigung aus dem Verein und von den Fans. Es wäre falsch sich hinzustellen und zu sagen, dass ich Profitrainer werden will. Ich versuche das Optimale herauszuholen – sportlich und privat. Die Wertschätzung ist da. Wenn man mich so akzeptiert wie ich bin, mache ich nicht alles falsch.
AFH: Wie sehen die personellen Planungen beim FCS für die kommende Saison aus?
Entschieden ist noch nichts. Wir haben bisher folgenden Abgänge: Christian Carlsen (Altenwerder), Nico Groh (beruflich), Benjamin Mc Cash Davis (Maschen), Marcel Rodrigues’ (SCV), Lukas Wiese (beruflich), Nikolas Sethmacher (Reserve „U23“). Wir hatten im Winter auch schon den einen oder anderen Abgang. Nun ist der Kader so, wie er sein soll. Wir haben den einen oder anderen Spieler der dazukommt. Im Idealfall habe ich am Ende 23 Spieler – ist angebracht wenn man in der Oberliga mithalten möchte. Die Spieler, die zu uns stoßen, sind welche die unser Niveau heben. Im zweiten Jahr ist es ebenso schwer wie im Aufstiegsjahr. Wir haben mit Davis und Rodrigues unsere ältesten Spieler verloren – das muss man kompensieren. Mit der Größenordnung ist man aber gut aufgestellt.
AFH: Was ist Euer Ziel für die kommende Oberliga-Saison?
Alle Spiele möglichst versuchen zu gewinnen. Das ist immer mein Ziel. Ich muss meine Mannschaft immer optimal vorbereiten. Ich weiß zwar, dass wir keine 34 Spiele gewinnen werden. Wir werden nicht Meister werden wollen, aber auch nicht absteigen. Dazwischen soll das Ziel dann irgendwann im Laufe der Vorbereitung gesteckt und kommuniziert werden.
AFH: Was war der schönste Moment in deiner Trainerkarriere?
Es gab viele schöne Momente. Zum einen die Momente, wenn Spieler, die schon in der Jugend bei mir gespielt haben, bei den Herren wieder gekommen sind. Dann natürlich der Aufstieg in die Oberliga Hamburg – die Probleme mit Oststeinbek mal außer Acht gelassen. Den haben wir dann vielleicht sogar zu wenig gefeiert – da wäre sicherlich noch etwas Luft nach oben gewesen (lacht).
AFH: Hattet ihr im Vorfeld der Saison geglaubt fußballerisch ins Halbfinale des Oddset-Pokals einzuziehen?
Im Pokal habe ich keine Garantien. Wir sind die zwei Jahre zuvor bei HEBC auf Grand ausgeschieden. Pokal ist immer eine Wundertüte. Sicherlich wäre es toll gewesen, hätten wir das Halbfinale spielen können. Nach der schwierigen Hinrunde haben wir 29 Punkte in der Rückrunde geholt. Ich bin begeistert, wie die Mannschaft das Saisonende bewältigt hat. Nie ich habe nicht damit gerechnet. Auch nicht, dass wir 41 Punkte holen würden. Die Rückrunden-Tabelle drucke ich mir aus und hänge sie auf.
AFH: Ist die Oberliga Hamburg als Spielklasse zu unattraktiv?
Für mich war es das erste Oberliga-Jahr. Wir haben eine Saison gespielt, wo vieles sehr positives war. Für uns ist die Liga nicht zu unattraktiv. Für Vereine die in Richtung Regionalliga denken, ist diese Liga vielleicht nicht so gut. In der Bundesliga gibt es 18 Vereine – in der 2. Bundesliga gibt es 18 Vereine. Vielleicht sollte man dann in der Landesliga auch nur mit 18 Vereinen spielen. Hätte es dieses Jahr nur 16 Mannschaften gegeben, hätte Elmshorn trotzdem zurückgezogen. Dann hätten die Spieler mehr Zeit gehabt um feiern zu gehen – man muss sehen wie man das handhabt. Das muss dann aber der Verband entscheiden und wir werden die Entscheidungen dann tragen. Einige Innovationen, die kommen sollen sind zwar gut, aber dennoch gibt es wichtigere Sachen.
AFH: Wäre eine Oberliga Hamburg-Schleswig-Holstein eine Lösung?
Wenn man die ersten neun aus der Oberliga HH und die ersten neun aus der Oberliga SH nimmt, hat man sicherlich eine attraktive Liga geschaffen. Aber ich glaube, dass dann eine Lösung des Problems nicht angegangen wurde. Besser wäre eine Lösung, wenn alle Meister gegeneinander spielen – Abstiegsrelegation – Meister gegen Pokalsieger um den DFB-Pokal, oder so. Es muss noch viel passieren, damit dann alle Bausteine passen.
AFH: Eine Sache die du schon immer mal in einem Interview sagen wolltest.
Ich bin auch dankbar, dass ich von allen Seiten so unterstützt werde. Von meiner Freundin, dem Verein und allen die ich kenne. Ich freue mich dann auf die neue Saison, nach dem Urlaub. Hinter jedem Mann steht eine starke Frau. Nur der FCS! Schlusswort: Atemlos durch die Nacht!
Foto: Joe Noveski (noveski.com)