Amateurfußball
Heiße Diskussion: Braucht Hamburg ein Drittliga-Stadion?
Nicht nur Christoph Holstein, Christian Okun, Liborio Mazzagatti und Sabine Mammitzsch diskutierten am Montagabend beim 3. LOTTO-Talk im Hotel Le Meridien über das Thema: „Braucht Hamburg ein Drittliga-Stadion?“ Auch zahlreiche weitere Protagonisten aus Hamburgs Sport-Hochburg kamen bei der Veranstaltung des Hamburger Fußball-Verbandes (HFV) zu Wort.
Teutonia 05 möchte aufsteigen – hat aber keinen Spielort; Wo sollen die HSV-Frauen spielen, wenn sie in die Bundesliga aufsteigen? Warum sind Frauen- und Junioren-Länderspiele des DFB in Hamburg nicht möglich? Wo ist die Heimat für erstklassigen Football, Rugby und Spitzen-Leichtathletik in Hamburg? Die Antworten auf all die Fragen versuchte das Moderatoren-Duo Birgit Hasselbusch (Sportkommentatorin, Buchautorin) und Carsten Byernetzki (Pressesprecher Hamburger Fußball-Verband) den anwesenden Gästen zu entlocken. Und schnell entfachte eine eifrige Diskussion.
„Hamburg braucht ein Stadion für ambitionierten Sport“
„Hamburg muss größer denken, um eine internationale Sportstadt – auch für den Breitensport – werden zu können“, hatte HFV-Präsident Christian Okun eine eindeutige Haltung zu dem Bau eines Drittliga-tauglichen Stadions. Eine Welle, die der FC Teutonia 05 losgetreten hat. Der Verein aus Ottensen, der in der Regionalliga Nord oben mitmischt und kurzfristig den Drittliga-Aufstieg anvisiert, möchte eine neue Heimat in Hamburg finden. Eine, die den Regularien in der Dritten Liga entspricht. „Hamburg braucht ein Stadion für ambitionierten Sport – und da geht es nicht nur um Teutonia 05“, stellte Liborio Mazzagatti, Sportlicher Leiter des Clubs, unmissverständlich klar.
„Wir sind seit Juni 2021 mit Herrn Holstein im Austausch und haben im Oktober ein strategisches Entwicklungs-Konzept eingereicht“, bei dem es, laut Mazzagatti, um ein Nachwuchsleistungszentrum und ein neues Stadion geht. Gesamtinvestitions-Volumen: 40 Millionen Euro. „Das Konzept basiert auf einer Liegenschaft der Stadt. Alles, was darauf kommt, wird von unseren Investoren getragen.“ Man sei viele Monate im Austausch gewesen, berichtete Mazzagatti. „Im letzten Gespräch im Februar hat Herr Holstein uns gesagt, dass es in Hamburg keine Fläche in dieser Größenordnung gibt.“
„Wir reden über eine Fläche in der Größenordnung von 19 Hektar“
Eine Größenordnung, die weitaus größere Dimensionen annimmt, als man vermuten mag. So verriet Sport-Staatsrat Holstein: „Wir reden über eine Fläche in der Größenordnung von 19 Hektar.“ Als Beispiel führte der SPD-Politiker an: Das HSV-Stadion samt Trainingsanlage und Parkplatz (Weiß) kommt auf 17,5 Hektar. Das Ergebnis nach eingehender und gleich doppelt durchgeführter Prüfung: „So eine Fläche in der Größenordnung gibt es nicht“, so Holstein. „Es ist ein sehr professionelles Konzept, was Teutonia erstellt hat. Aber wenn dieses städtische Grundstück nicht zur Verfügung steht, muss man nun mal umswitchen. Und der Knackpunkt ist der, dass es eine so große Fläche wie die Binnenalster sein soll“, gehe man mit einer gewissen Sensibilität an das Thema ran.
Mazzagatti wünscht sich „mehr Hilfe von der Stadt“
Gleiches gilt für den ambitionierten Regionalligisten. „Wir sind ja nicht blauäugig“, stellte Mazzagatti unmissverständlich klar. „Es geht nicht nur um Teutonia 05, sondern um weitere Sportarten“, nannte er die Footballer der Hamburg Sea Devils, mögliche Junioren-Länderspiele und sogar eine Laufbahn für Leichtathletik-Events als Beispiel. „Es gibt den Bedarf für die Sportstadt Hamburg. Denn es gibt genug Sportarten, die ambitioniert sind und ein Stadion benötigen. Es ist an der Zeit, dass wir uns mit dem Thema beschäftigen“, wünsche er sich „ein bisschen mehr Hilfe der Stadt. Denn: „Wir versuchen gerade, etwas für Hamburg zu machen.“ Allerdings monierte er, dass sämtliche „Hilferufe“ nicht gehört wurden. „Ein reger Austausch hat bis heute nicht stattgefunden.“
„Wenn man mit dem Risiko ein Stadion bauen will, haben wir ein Problem“
Dem entgegnete Holstein: „Die zentrale Frage ist: ja, wie sinnvoll und klug ist es, ein Stadion vorzuhalten, weil es ja sein könnte, dass da einer kommt und sagt: Ich möchte da spielen?“ Und weiter: „Wenn ein Sponsor ein Stadion bauen will, mit dem Risiko, dass es leer ist, wenn man nur zehn Prozent der Stadionkapazität verkauft bekommt, wie das derzeit in der Dritten Liga der Fall ist, dann haben wir da natürlich ein Problem.“ Zudem gebe es weitere zentrale Fragen: „Erstens: Wo das sein soll. Zweitens: Wer das bauen soll. Drittens: Wer das finanzieren soll. Und viertens: Wer das betreiben soll. Da sehe ich eine Gefahr.“ Es bringe nichts, „nur einen Stein ins Wasser zu schmeißen“, damit würde man „keine Debatte anstoßen“, so Holstein. „Und die zentrale Frage löse ich nur, wenn man eine Debatte darüber führt.“
„Teutonia wird nicht im gleichen Stadion spielen wie wir“
Gar kein Blatt vor den Mund nahm Ragnar Törber, Zweiter Vorsitzender von Altona 93, als es darum ging, dass sich der AFC und der FC Teutonia 05 am Standort Diebsteich, wo die neue Spielstätte von Altona 93 entstehen soll, nachdem die Adolf-Jäger-Kampfbahn dem Wohnungsbau weichen wird, eine neue Heimat teilen könnten: „Es wird viel über uns und nicht mit uns gesprochen. Mit uns wird es das nicht geben, dass Teutonia im gleichen Stadion spielt wie wir“, stellte Törber klar – und führte aus: „Ich sehe auch den Bedarf überhaupt nicht“, nannte er die Hamburg Sea Devils als einziges Team, das eventuell Bedarf hätte an einer größeren Arena. „Ich höre auch zum ersten Mal, dass dort Leichtathletik stattfinden soll. Das alles wird nicht am Diebsteich-Standort der Fall sein. Die Planung ist transparent und seit fünf Jahren sichtbar. Das Stadion wird genau unserem Bedarf entsprechen.“ Und nur dem Bedarf des AFC. „Wir sind ambitioniert. Aber solche Harakiri-Aktionen sind uns völlig fremd.“ Es habe bis zum heutigen Tag „nicht einen Anruf“ von Seiten des Lokal-Nachbarn gegeben. Und den könnten sich die Teutonen wohl auch sparen – denn: „Von uns käme eh ein Nein!“
„Für mich gibt es Flächen in dieser wunderschönen Stadt“
Hamburg müsse größer denken und brauche „ein Stadion für 10.000 bis 15.000 Zuschauer“, meinte hingegen HFV-Präsident Okun. „Das ist ein Thema, was ganz Hamburg betrifft“, nahm er diverse Sportarten mit ins Boot. „Das ist keine Diskussion, die nur Altona oder Teutonia berührt. Es geht um viel mehr.“ Und Fakt sei auch, dass „Altona 93 ein neues Stadion braucht und das Hausrecht haben muss“, man müsse trotzdem Diskussionen anstoßen und Lösungen finden. Im Gegensatz zu Holstein befand Okun nämlich: „Für mich gibt es Flächen in dieser wunderschönen Stadt.“
„Wäre super, wenn Hamburg ein Zugpferd für Nord-Spielerinnern wird“
Flächen, die auch dem Frauenfußball zugutekommen sollen. Denn: Sabine Mammitzsch, neue Vizepräsidentin für Frauen- und Mädchenfußball im DFB, möchte „die Sichtbarkeit des Frauenfußballs noch mehr unterstützen, dass kein Unterschied mehr gemacht wird“. Und dafür bräuchte man auch „ein Stadion, das groß genug ist“. Dabei ist sich Mammitzsch auch darüber im Klaren, dass ein „Stadion nicht nur an den Platz und an die Zuschauer, sondern auch an gewisse Rahmenbedingungen geknüpft“ ist. Wenngleich die Runde die Zuschauerzahlen etwas kritisch sah, war sich Mammitzsch sicher, dass zu einem Länderspiel in Hamburg „10.000 bis 15.000“ Besucher kommen würden. Nicht nur das. „Ich würde es super finden, wenn Hamburg ein Zugpferd für alle Nord-Spielerinnern werden würde“, stehen aktuell andere Vereine im Norden, wie der VfL Wolfsburg, ganz oben. Zwar käme auch das Millerntor-Stadion für Länderspiele in Frage. Aber: „Die Kosten waren so immens, dass der DFB davon abgesehen hat“, steht doch eine sechsstellige Summe im Raum. Mammitzsch erhofft sich derweil einen Schub durch die Frauenfußball-WM 2027 im eigenen Land.
„Wir denken zu wenig an die kleinen Vereine“
In ganz anderen Sphären bewegt sich der TSV Neuland. Der kleine und beschauliche Verein im Süden Hamburgs hat mit ganz anderen Problemen zu kämpfen – und das im wahrsten Sinne des Wortes: „Wir haben sehr viel von den großen Vereinen gehört. Ich vermisse so ein bisschen, dass auf die Basics geguckt wird“, sprach „Mr. Neuland“ Horst Meyer ein wahres Dilemma an. Die Anlage am Neuländer Elbdeich könne man „nicht mehr als Sportplatz bezeichnen“, demonstrierte Meyer den Verantwortlichen des HFV die nicht mehr hinnehmbaren Gegebenheiten. „Es bricht alles weg. Wir sind ein kleiner Verein. Vor sechs Jahren haben wir noch ein Pokal-Viertelfinale gegen Altona vor 1000 Zuschauer gespielt – das war für uns ein Festtag. Aber es wird nichts gemacht. Wir denken zu wenig an die kleinen Vereine. Und die Politik lässt uns hängen.“
„Man sollte nicht sagen, dass nichts passiert“
Er habe „Verständnis für diese Diskussion“, gestand Holstein – und ließ einige Zahlen sprechen, was die Stadt in den vergangenen Jahren an finanziellen Mitteln aufgebracht habe. „Jetzt kann man sagen: Das reicht nicht. Was man angesichts dieser Summen nicht machen sollte, zu sagen: Es passiert ja gar nichts. Natürlich müssen wir uns auch um die Kleineren kümmern. Aber wir können noch so viel investieren, wir werden immer den einen oder anderen haben, der sagt: Das passt mir nicht oder das reicht mir nicht.“ Die Spanne ist groß. Sehr groß sogar. An den Basics fehlen die Mittel und Möglichkeiten – und in anderen Regionen kämpft man, auf ganz anderer Ebene, ebenso gegen die fehlende Unterstützung an. Und so zitierte Holstein einen Kommentar in den Sozialen Netzwerken in Bezug auf den TSV Neuland und das Problem, mit dem sich beispielweise der FC Teutonia 05 herumplagt: „Plätze wie diese gibt es reichlich. Und der HFV denkt über ein drittes Bundesliga-Stadion nach. Genau mein Humor.“
„Es herrscht großer Bedarf, aber gibt keine Spielstätte“
Abseits des Fußballs gibt es auch den American Football, wo sich ein Traditionsverein anschickt, wieder in anderen Gefilden um Punkte und Touchdowns zu kämpfen: Die Hamburg Blue Devils. „Ich bin 1992 nach Hamburg gekommen. Zu einer Zeit, wo der American Football noch gar nicht auf der Landkarte war. Wir haben teilweise vor 30.000 Zuschauern im Volkspark gespielt. Ich hatte großes Glück, genau im richtigen Moment in diese schöne Stadt zu kommen. Und ich wusste nach zwei Wochen, dass ich nie wieder weg möchte“, sagte Maximilian von Garnier, langjähriger Spieler, Trainer und nun Zweiter Vorsitzender der Blue Devils. „Football ist nicht nur Sport, sondern auch ein Event.“ Als der Verein am Boden war, habe man ihn „von der Basis wieder aufgebaut und auf die Jugend gesetzt“, blickte von Garnier zurück – und erinnerte sich daran, dass er „2014 mit meinem kleinen Büchlein losgezogen“ sei, „um nach einer Trainingsstätte zu suchen“.
Mittlerweile sind die Blue Devils in der Dritten Liga aktiv. Und von Garnier weiß: „Es herrscht ein riesiger Hype um den American Football.“ Auch die Hamburger haben „unfassbar viele Anfragen“. Problem: „Wenn wir einen Aufstieg schaffen würden, wüssten wir nicht, wo wir spielen sollen. Es herrscht großer Bedarf, aber gibt keine Spielstätte“, wünscht er sich eine Alternative, um den Verein noch stärker zu machen und eventuell sogar zu altem Glanz zurückzuführen.
HSV Handball-Geschäftsführer regt einen Austausch an
Letzteres haben die Handballer des HSV nach dem Zwangsabstieg vor einigen Jahren schon wieder geschafft. Zurück in der Erstklassigkeit, hat man den Bezug zur Basis aber nicht verloren. Geschäftsführer Sebastian Frecke konstatierte: „Die Bedürfnisse sind unterschiedlichster Natur.“ Auffällig: „Viele kochen ihren eigenen Brei und ärgern sich dann, dass es nicht nach vorne geht. Es fehlt an dem offiziellen Austausch der großen Vereine, die Kräfte zu bündeln, sich an einen Tisch zu setzen und zu fragen: Wo kann man sich gegenseitig helfen? Den Kreis würde ich gerne erweitern“, wolle er sämtliche Vereine mit ins Boot holen. „Ich bin auch gerne bereit, Location und Getränke zu stellen, um einen Austausch zu schaffen, sich an einen Tisch zu setzen und eine Strategie festzulegen, wie man sich helfen kann.“
„Doof ist gerade etwas an einer ganz anderen Stelle“
Die wichtigste Botschaft des Abends: „In den Dialog zu gehen. Nicht in seinem eigenen Kämmerlein sitzen und sagen: ‚Das ist doof.‘ Denn doof ist gerade etwas an einer ganz anderen Stelle“, brachte es Mammitzsch auf den Punkt. Das betrifft den großen, aber eben auch den kleinen (Amateur-)Sport. „Es gibt Konsequenzen, die wir nicht wollten, dass sich Vereine vom Spielbetrieb abmelden mussten. Auf der anderen Seite ist es umso wichtiger, sich gemeinsam hinzusetzen und nicht nur aus Sicht des Fußballs zu überlegen, wie ein Stadionbetreiber-Konzept aussehen kann“, will Okun mehrere Vereine aus unterschiedlichsten Sportarten an einen Tisch holen. Denn: „Es gibt den Bedarf eines mittelgroßen Stadions. Und wir müssen an die Sanierung der Anlagen ran, wo auch der Hamburger Sportbund mit eingebunden werden muss!“