Interview
Fagerström: „Handball-Profi war keine Option“
Er gilt als größtes finnisches Talent der letzten Jahre: Kicker Tobias Fagerström läuft seit knapp einem Jahr für die U19-Bundesliga-Truppe des HSV auf. Wir sprachen mit dem 17-Jährigen über das Abitur, seine Heimat, die Bundesliga und warum er auch Handball-Profi hätte werden können.
Moin, Tobias! Dein voller Name ist lang. Tobias Allen Diego Fagerström – was hat es damit auf sich?
Das Allen kommt von dem Großvater meines Vaters. Dazu wollte mein Vater gerne, dass ich Diego heiße. Doch meine Mutter konnte sich damit nicht so recht anfreunden. Am Ende ist es Tobias geworden und das Diego durfte als zweiter Name noch dazu. Da hat sich mein Vater gefreut.
Allen bedeutet auch Fels. Was bist Du für ein Typ von Stürmer? Schnell oder lieber Ballabholer?
Ich bin mehr ein schneller Spieler, der die Räume konsequent nutzt, obwohl ich auch die Bälle vorne festmachen kann. Insgesamt gefällt es mir beim Hamburger SV – gerade bei der U19 – sehr gut. Ich habe schnell viele Freunde gefunden und das Umfeld hat mich sehr gut aufgenommen. Mir macht Fußball einfach sehr viel Spaß und ich mag es, mit den Jungs zu kicken.
In der finnischen Nationalmannschaft kickst Du auch. Wie ist das da mit den Jungs so?
Ich war schon sehr oft mit der Nationalmannschaft unterwegs, von daher ist es für mich ganz normal, auch mit den Jungs unterwegs zu sein. Auch in der U16 und U17 bin ich schon für Finnland aufgelaufen. Dabei sind mir in der U17 schon zwei Tore gelungen, das war damals in Polen. Am Montag fliege ich dann mit der U19 nach Italien. Ich war schon einmal, obwohl ich aus dem jüngeren Jahrgang bin, mit den Jungs unterwegs. Zu der Zeit bin ich frisch nach Deutschland gezogen. Nun freue ich mich auf die nächste Reise.
Stichwort Schule und das kommende Abitur: Wie sieht dort der aktuelle Stand bei Dir aus?
Ich gehe in die zwölfte Klasse. In den Fächern Mathe, Deutsch, Kunst und Musik bin ich ganz normal in der Schule – als Gastschüler. In den anderen Fächern, wie zum Beispiel Physik, nutze ich eine finnische Online-Schule im Campus, oder in der Bibliothek der Schule. Ich habe es am Anfang mit dem normalen Unterricht probiert, aber der Abstand zu den Klassenkameraden war zu groß. Das lag vor allem an der Sprache. Ich verstehe fast alles und kann auch darauf antworten. Aber wenn ich ein Arbeitsblatt bekomme, kann es schon einmal schwieriger werden. Trotzdem bekomme ich ein ganz normales Zeugnis, mache dabei das finnische Abitur. Aktuell sieht es gut aus, auch wenn es insgesamt natürlich viel ist.
Auf rund 100.000 Euro wird Dein Marktwert taxiert. Eine krasse Zahl, oder wie siehst Du das?
Das ist eine enorme Zahl. Ich möchte mich entwickeln und deshalb habe ich, bei meinem Wechsel damals aus Finnland nach Deutschland, gar nicht so darüber nachgedacht. Aber natürlich ist das eine enorme Zahl. Und am Ende möchte ich – wie jeder Fußballer weltweit – auch mal ganz oben spielen.
Bei Deinem ursprünglichen Verein Bollklubben-46 hast Du sogar dritte Liga gespielt. Wie kam das?
Ich habe bei Bollklubben gespielt, seitdem ich ein kleines Kind war – mein Papa war damals der Trainer. Es war einfach geil, in dieser Mannschaft zu spielen. Damals war ich 15 Jahre alt und durfte bei den Herren mitmachen. Die sind körperlich natürlich viel stärker, als noch im Jugendbereich. Da muss man sich schon anpassen. Ansonsten ist es aber ähnlich, wie nun auch in Deutschland. Wir hatten damals einen Zusammenschluss aus mehreren Städten bei uns, die dann alle zusammen gekickt haben. Mit denen spielten wir dann auch sehr erfolgreich in der Spielkasse.
Du hättest auch Handball-Profi werden können. Warum hast Du dich für Fußball entschieden?
Handball habe ich eher als Ausgleich gespielt, obwohl wir eine der besten Mannschaften in Finnland waren. Mir war es da wichtig, dass ich mit vielen Freunden noch etwas zusammen machen konnte, die auch alle Handball gespielt haben. Im Nachhinein war es auch für meine fußballerische Karriere gut, weil das nicht nur für die Koordination, sondern auch für die Stabilität etwas gebracht hat. Am Ende entscheidet aber der Kopf und die Psyche – in beiden Sportarten. Die sind dabei ausschlaggebend.
Wenn wir beim Thema sind: Was ist Dein Ziel, wenn Du in die nahe und ferne Zukunft blickst?
Mein Ziel ist es, mich zu entwickeln und dann natürlich – wenn meine Zeit gekommen ist – auch mal im Volksparkstadion zu spielen. Bisher habe ich noch nicht mit den Profis trainieren dürfen, aber auch da wird hoffentlich meine Zeit irgendwann einmal kommen. Bis dahin bleibe ich aber weiterhin geduldig.
Fiete Arp hat es ja schon nach oben geschafft. Tauscht Ihr Euch beide auch manchmal aus?
Wir reden schon über Fußball, allerdings gibt er mir keine speziellen Tipps. Mehr ist es so, dass er uns als Mannschaft natürlich immer wieder, auch durch seine Anwesenheit bei den U19-Spielen wenn er kann, positive Energie mitgibt. Er feuert uns dann natürlich an und motiviert. Das kann auch ausschlag-gebend für den Sieg sein. Mittelfristig möchte ich dann natürlich auch gerne mit den Profis spielen – genau wie Fiete. Aber das ist das Ziel von allen Spielern der U19. Dafür arbeiten wir jede Woche sehr, sehr hart.
Vor einem Jahr bist Du nach Deutschland gekommen. Hast Du schon vorher Deutsch gelernt?
Ich hatte schon in der finnischen Schule Deutschunterricht – allerdings nur zwei Stunden in der Woche, deshalb ist leider nicht ganz so viel hängen geblieben. Trotzdem konnte ich schon ein bisschen reden. Mehr habe ich dann aber hier beim HSV gelernt. Gerade unterstütze ich meinen U17-Kollegen Anssi Suhonen, der vor dem gleichen „Problem“ steht, wie ich damals. Auch er ist aus Finnland zum HSV gekommen und muss nun Deutsch lernen. Aber ich helfe ihm dabei natürlich sehr gerne.
Untereinander sprecht Ihr beide sicherlich auch mal Finnisch zusammen, oder wie läuft das ab?
Natürlich sprechen wir auch Finnisch, gerade weil er noch nicht so gut Deutsch spricht. Es ist dann manchmal schon witzig, weil es natürlich keiner versteht und alle gucken. Aber ab und zu sprechen wir auch Deutsch zusammen. Wir kennen uns auch schon aus der U17-Nationalmannschaft. Anssi und ich sind inzwischen gute Freunde und machen oft etwas zusammen.
Rund 1700 Kilometer bist Du jetzt von zu Hause weg. War das am Anfang ein Problem für Dich?
Natürlich war es anfangs nicht einfach, aber insgesamt hat es sehr gut geklappt. Ich fühle mich sehr wohl im Campus und habe schnell neue Freunde gefunden. Natürlich vermisst mich meine Familie und ich sie auch. Jetzt, zu Weihnachten, sehen wir uns alle wieder. Ansonsten nutzen wir jeden Abend Skype, um in Kontakt zu bleiben. Ich versuche die freie Zeit ab und an dafür zu nutzen, um sie zu besuchen. Das klappt oft in den Ferien, meistens im Sommer. Dann fliege ich rüber.
Vor zwei Wochen ging’s im Derby gegen Bremen: 2:1-Sieg in letzter Minute. Dein Gedanke?
Dass wir in der letzten Minute noch das 2:1 erzielen und dann auch noch gewinnen, war ein überragendes Gefühl. Ich habe von Anfang an die Rivalität gespürt – ganz klar. Der Funke springt auch über. Für solche Momente steht man als Fußballer auf dem Platz.
Mit 14 anderen Nachwuchs-Kickern in einem neuen Campus. Was ist das für ein Gefühl?
Das ist schon sehr schön und macht großen Spaß. Wenn ich mal meine Ruhe haben möchte, dann nutze ich einfach mein Zimmer um abzuschalten. Wenn wir etwas zusammen machen wollen, haben wir extra Räume, wo man beispielsweise auch PlayStation spielen kann. Ich gehe allerdings lieber selber auf den Platz. Gerade an den Abenden machen wir dann, als Gemeinschaft, sehr viel zusammen.
Danke für das ausführliche Interview, Tobi. Wir wünschen Dir weiterhin alles erdenklich Gute!
Fotos: KBS-Picture