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Oberliga Hamburg

„Endstation“ Medikamente: Der Fußball im Würgegriff

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Symbolbild: imago images / MiS

Eine Recherche über Schmerzmittel-Missbrauch erschüttert den deutschen Fußball – Profis und Amateure gleichermaßen. Kicker sollen im großen Stil prophylaktisch Medikamente einnehmen. Ein Ex-HSV-Akteur sprach über die Folgen. Der DFB zeigte sich erschüttert über die Vorgänge.

Es ist ein offenes Geheimnis, nach außen wird es allerdings oftmals nicht so groß darüber gesprochen: Schmerzmittel-Missbrauch im deutschen Fußball, von den Profis bis zu den Amateuren. Aktuelle Recherchen der ARD-Dopingredaktion und des Recherchenetzwerkes correctiv förderten nun allerdings erstmals das Ausmaß zu Tage. Im Rahmen der Recherche wurden 1142 Spielerinnen und Spieler, vor allem aus dem Amateur-Bereich, intensiv befragt. 47 Prozent gaben dabei an, mehrmals pro Saison Schmerzmittel zu nehmen. 21 Prozent sogar einmal pro Monat oder öfter. Die Folgen des Konsums blieben dabei nicht aus. So wurde von „verschleppten Verletzungen“ über „chronische Entzündungen“ bis hin zum „ständigen Verlagen“ und „gesplitterten Gelenken“ seitens der Spieler berichtet. All das wurde ausgelöst durch die übermäßig hohe Einnahme von Schmerzmitteln wie Paracetamol, Ibuprofen, Diclofenac oder Opioide. Denn: All diese Präparate fallen nicht unter das Doping-Gesetz, können im Handel frei erworben werden. Das macht den Konsum für die vielen Spieler nahezu kinderleicht.

Ex-HSV-Talent berichtet von seinem Medikamenten-Missbrauch

Einer, der jahrelang abhängig von Schmerzmitteln war und heute die Auswirkungen dessen spürt, ist Dani Schahin. Das ehemalige Talent des HSV war von der U17 bis zur damaligen U23 für die Rothosen aktiv. Schmerzmittel waren sein ständiger Begleiter. „Die letzten drei, vier Jahre ging gar nichts mehr ohne Schmerzmittel. Und selbst wenn es mir gut ging, habe ich prophylaktisch die Tabletten genommen, damit ich das Spiel frei angehen konnte, ohne mir Gedanken zu machen, ob mein Knie ab der 15. oder 20. Minute anfängt zu schmerzen“, so Schahin in der ARD-Doku. Kurz vor seinem Sprung zu den Profis oder Einsätzen bei der Nationalmannschaft erhöhte er sogar die Dosis. Der heute 30-Jährige: „Man muss halt funktionieren, man muss spielen. Man will ja nicht ausfallen. Also habe ich schon damals angefangen, mir die Tabletten zu geben.“ Auch der Druck seitens eines Trainers, dessen Name Schahin nicht nannte, soll immens gewesen sein. „Es ist schon vorgekommen das ein Trainer zu mir kam und meinte, du musst die Schmerzmittel nehmen, ansonsten spielst Du halt nicht. Ich hätte nicht nur die Leistung nicht mehr bringen können, sondern ich hätte früher aufgehört mit meiner Karriere, wenn ich keine Schmerzmittel genommen hätte.“ Ähnliches berichtet auch der ehemalige HSV- und FC St. Pauli-Profi Jochen Kientz.

Kientz kann nicht joggen – DFB-Präsident Keller „erschüttert“

Befragt zu den Auswirkungen von Medikamenten-Missbrauch entgegnete Jochen Kinetz, Sportlicher Leiter bei Waldhof Mannheim: „Wenn ich morgens mal aufstehe und das Knie ist nicht mehr so flexibel oder man kriegt den Arm nicht mehr hoch – dann beeinträchtigt einen das schon für das Leben“, so Kientz, der auf die Frage ob er denn noch joggen könnte entgegnete: „Ich könnte heute nicht mehr laufen gehen. Das war Raubbau am eigenen Körper und das schleppt man ewig mit.“ Die „ARD“ konfrontierte den Deutschen Fußball-Bund mit ihren Enthüllungen. DFB-Präsident Fritz Keller zeigte sich im Anschluss sprachlos. „Ich bin schon etwas betroffen. Ich wusste schon, dass dieses Problem besteht. Aber das einige das Präventiv das nehmen, ist Dummheit. Was mich am meisten schockiert ist, dass das auch im Amateurfußball passiert. Da müssen wir auch über die Landesverbände gehen und über die Trainer dafür sensibilisieren“, so Keller, der ergänzte: „Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, was ich aber sofort überprüfen werde. Ich werde das im gesundheitlichen Sinne unserer Sportler das dann auch kommunizieren müssen.“ Ob sich wirklich etwas ändert, wird wohl erst die Zeit zeigen.

Chefredakteur: Niklas ist Initiator von Amateur Fußball Hamburg und somit seit der ersten Stunde mit an Bord. Der 22-Jährige interessiert sich für alles, was im Hamburger Amateurfußball vor sich geht und hat dieses Projekt deshalb ins Leben gerufen.