Bundesliga
DFB-Schiri Ittrich: „Fußball ist keine Spaßveranstaltung“
Seit über zehn Jahren leitet der Hamburger Patrick Ittrich Profi-Spiele als Schiedsrichter. Durch das Corona-Virus ist aber auch der 41-Jährige zur Pause gezwungen. Nun sprach der Polizist über seinen Freund Deniz Aytekin, einen sehr größten Fauxpas und übte Kritik an einem Virologen.
Unter der Woche sorgt Patrick Ittrich als Polizist für Recht und Ordnung, am Wochenende leitet der 41-jährige Familienvater Spiele in der Bundesliga. In Zeiten der Corona-Krise ist aber auch Ittrich, was seinen Fußball-Job angeht, an sein Home-Office gebunden und plauderte deshalb im „Elbkick TV“-Talk etwas aus dem Nähkästchen eines Schiedsrichters. Immerhin: Als Polizist gehört der Hamburger zu den wenigen Menschen, die noch reguläre Arbeitszeiten haben. „Ich gehe ganz normal meinem Dienst nach. Aber da gibt es natürlich auch Auflagen, dass man Abstand halten soll“, berichtet Ittrich, der bei der „blauen Truppe“ für die Verkehrserziehung zuständig ist. „Ich bin gerade dabei, einen Podcast für Verkehrserziehung zu machen. Der kommt am Freitag raus.“ Im Livestream-Chat tummelte sich derweil auch Schiri-Kollege Deniz Aytekin. „Deniz ist ein langjähriger Freund von mir. Ich kenne ihn bereits seit 1998/1999. Wir haben sehr viel Spaß zusammen“, berichtet der 41-Jährige, der sich mit Aytekin bereits ein Musik-Duell lieferte. Während der ebenfalls 41-jährige Aytekin sich als DJ versucht, konterte Ittrich ein sein Video mit einem Keyboard-Solo – zur großen Belustigung der zahlreichen Instagram-Follower.
Aytekin baut Stuhl auf – Ittrichs größter Fauxpas
Zudem plauderte Ittrich ein bisschen aus dem Nähkästchen, was die Beziehung zwischen ihm und Aytekin angeht. „Wir hatten uns ein Jahr nicht gesehen und trafen uns dann auf einem Lehrgang in Duisburg. Da gibt es einen Länderpokal, wo die Landesverbände gegeneinander spielen. Als er mich dann mal in Hamburg besucht habe, hatten wir gerade eine Möbellieferung bekommen“, erklärt der dreifache Familienvater und fügt an: „Er musste dann ein Ikea Stuhl aufbauen und plötzlich war seine Besuchszeit auch schon wieder vorbei. Der Stuhl ist ein Jahr später dann wieder in den Müll gewandert, weil er so schlecht zusammengebaut worden war.“ Abseits der großen Bundesliga-Stadien passierten aber natürlich auch Ittrich bereits größere Missgeschicke. „Bei Bergedorf 85 gegen die anderen hatte ich meine gelbe Karte auf dem Klo vergessen. Als ich einen verwarnen wollte hab ich gemerkt, dass die Karte nicht da war. Ich bin dann raus zu meinem Assistenten und hab mir die gelbe/rote Karte geliehen. Da waren nur 300 bis 600 Zuschauer da“, blickt der DFB-Schiri mit einem Lacher auf seinen Fauxpas von damals zurück. Den Umgang einiger Spieler mit ihm als Schiri bemängelt Ittrich allerdings bis heute.
„Ich finde so eine Zeitstrafe eigentlich ganz cool“
Auf der Suche nach korrekten Regeländerungen schlug Ittrich deshalb vor: „Ich finde so eine Zeitstrafe eigentlich ganz cool. So zehn Minuten draußen runter fahren finde ich ganz gut. Das könnte man mal machen oder drüber nachdenken“, entgegnete der Referee und ergänzte: „Ich habe schon mal das „Mobbing“ des Schiedsrichter angemahnt, wenn die Spieler auf den Schiri zulaufen. Das hat sich Gott sei Dank etwas entspannt nach der Regeländerung. Der Fußball ist ein emotionaler Sport, aber deswegen kann man sich nicht benehmen wie die beschränkte Sau.“ Ähnliches erlebte Ittrich mit Stuttgart-Stürmer Mario Gomez, der seinen Unmut über einige Entscheidungen Ittrichs laut kundtat. „Das war eine Phase, wo Mario Gomez häufig das Tor getroffen hat und ins Abseits gewunken wurde. Er wäre aber auch ohne VAR im Abseits gewesen“, blickt Ittrich zurück und ergänzt anschließend: „Von den fünf Mal war es drei Mal Norbert Grudzinski und zwei Mal Sascha Thielert. Er wollte mir dann erzählen, dass er es nicht gut findet und das ihm dauert Tore geklaut werden. Wir hatten da ein paar Dispute im Spiel.“
Meinung zum VAR – Lange Verletzungshistorie
Den in dieser Zeit von Gomez stark kritisierten Videobeweis (VAR) schätzt Ittrich aber als Erfolg ein. „Es waren nicht die Schiris, die die Einführung wollten, das waren die Vereine. Das ist aber auch nachvollziehbar. Für mich ist das eine Hilfestellung und ich bekomme keine Tomaten unter der Woche auf das Auge gedrückt, weil die ganz großen Böcke ausbleiben. Aber der Ermessensspielraum wird immer bleiben und damit bleibt auch die Diskussion. Es arbeiten Menschen und deshalb wird es immer Fehler geben“, appelliert der 41-Jährige an die Vernunft der Fans und Offiziellen. Deutlicher wird Ittrich aber beim Thema Pyrotechnik. „Das gehört nicht ins Stadion. Wenn ich oben oder unten eine Fackel zünde und ein Kind daneben oder da drunter sitzt, dann ist das gefährlich. Ich bin der absolut festen Überzeugung, dass das im Stadion nichts zu suchen hat, auch wenn es geil aussehen mag“, stellte der Referee deutlich klar. Das Ittrich bis heute auf so einem hohen Niveau pfeift, hat er auch seinem großen Willen zu verdanken. „Ich hatte fünf oder sechs OP’s und drei Kreuzbandrisse. Vor kurzem ist mir noch der Meniskus weggeflogen. Ich habe aber nie an das Aufgeben gedacht“, so der Hamburger, der anfügt: „Aber wenn mir jemand sagt, dass wenn ich weiter mache ich in drei Jahren ein neues Knie brauche, dann würde ich aufhören. Man muss als Schiri immer mehr leisten und sich immer mehr bewegen.“
Ittrich übt Kritik an der Aussage eines Virologen
In der Zeit der Corona-Krise ist aber auch Patrick Ittrich, wie alle anderen Menschen auch, auf die Empfehlungen der Virologen angewiesen. Eine Aussage ärgerte den 41-Jährigen allerdings sehr. „Ich hangle mich auch von Woche zu Woche. Es ist inzwischen eine Standardaussage, aber Priorität hat die Gesundheit der Menschen. Aber was mit nicht gefallen hat, war die Aussage eines Virologen, der meinte, dass Fußball keine Spaßveranstaltung ist“, stellte Ittrich deutlich klar und erklärte dann: „Davon profitiert auch der Bratwurstverkäufer oder der Journalist, die alle ihren Job nicht ausführen können. Da hat er sich im Ton vergriffen. Trotzdem baue ich in dieser Phase auf die Virologen, das sind die Experten.“ Bis heute schätzt der Polizist zudem den Zusammenhalt innerhalb der Hamburger Schiri-Szene. „Dieses Heiligtum am Donnerstag, wenn alle Hamburger Schiris zusammen trainieren, ist einmalig in Deutschland. Ansonsten trainieren wir alleine“, berichtet der 41-Jährige, der auf dem Platz immer er selbst ist. „Ich habe mich mit meiner Art auf dem Platz nie verstellt. Aber man sollte generell seiner Linie immer treu bleiben. Man muss nicht der Kumpel aller Spieler sein, um ein erfolgreicher Schiedsrichter zu werden“, gibt Ittrich dem Nachwuchs noch einige Tipps auf den Weg und entgegnet auf die Frage nach seinem größten Traum: „Das DFB-Pokalfinale wäre schon mal ein Traum. Ob das so kommt, dass weiß ich natürlich nicht.“ Zu wünschen wäre es dem Hamburger aber von ganzem Herzen.